
Zusammenfassend:
- Das Geheimnis liegt nicht darin, die Bremse zu treten, sondern sie durch den gezielten Einsatz der Motorbremse aktiv zu kühlen und zu entlasten.
- Die Wahl der richtigen Route und strategische Pausen sind ebenso entscheidend wie die Bremstechnik selbst. Es geht um proaktives Management statt reaktiver Notmanöver.
- Ein technischer Check vor der Fahrt, insbesondere der Reifen und der Auflaufeinrichtung, ist Ihre wichtigste Lebensversicherung in den Bergen.
Die erste Fahrt mit dem Wohnwagengespann Richtung Süden. Die Vorfreude ist groß, doch dann taucht es auf: das erste Verkehrsschild mit der Aufschrift „12 % Gefälle“. Für viele Neulinge im Gespannfahren beginnt hier der Respekt vor den Alpen, und die Sorge um die Bremsen wird real. Man hat die üblichen Ratschläge im Ohr: „langsam fahren“, „viel Abstand halten“. Doch diese gut gemeinten, aber oberflächlichen Tipps helfen wenig, wenn man die physikalischen Kräfte, die auf ein tonnenschweres Gespann wirken, nicht versteht. Die Angst vor überhitzten Bremsen und dem gefürchteten Bremsversagen ist begründet, aber nur, wenn man die Technik falsch anwendet.
Die souveräne Alpenüberquerung ist keine Frage des Mutes, sondern eine des Wissens und der richtigen Vorbereitung. Es geht nicht darum, die Bremse zu schonen, sondern sie intelligent zu nutzen und vor allem zu entlasten. Der Schlüssel liegt im Verständnis der Motorbremse, des optimalen Drehzahlbereichs Ihres Zugfahrzeugs und der Funktionsweise der Auflaufbremse Ihres Wohnwagens. Als Ihr Fahrlehrer für schwere Anhänger werde ich Sie durch die mechanischen und strategischen Details führen, die den Unterschied zwischen einer schweißtreibenden Zitterpartie und einer entspannten, sicheren Reise ausmachen. Dieser Leitfaden erklärt Ihnen die Physik hinter dem Bremsen am Berg, hilft Ihnen bei der strategischen Routenwahl und gibt Ihnen handfeste Checklisten an die Hand, damit Sie nicht nur sicher in Italien ankommen, sondern die Fahrt dorthin als Teil Ihres Urlaubs genießen können.
Um Ihnen eine klare Struktur für diese anspruchsvolle Thematik zu bieten, haben wir diesen Leitfaden in acht logische Schritte unterteilt. Jeder Abschnitt widmet sich einer zentralen Frage, die Sie sich vor und während der Fahrt stellen sollten.
Inhaltsverzeichnis: Der komplette Leitfaden zur sicheren Alpenüberquerung mit dem Gespann
- Warum versagen Ihre Bremsen bei 12% Gefälle, wenn Sie falsch bremsen?
- Wie entscheiden Sie zwischen landschaftlicher Schönheit und schneller Ankunft?
- Welcher Gang rettet Ihren Motor beim Anstieg zum Tauerntunnel?
- Der Fehler, im Mai mit Sommerreifen über einen Pass zu fahren
- Wann und wo müssen Sie anhalten, um Fahrzeug und Fahrer abzukühlen?
- Wie stellen Sie sicher, dass die Brücke wirklich 3,20 m hoch ist?
- Wie merken Sie, ob der Dämpfer der Auflaufeinrichtung verschlissen ist?
- Welche 5 Dinge müssen Sie prüfen, bevor Sie 1000 km in den Süden fahren?
Warum versagen Ihre Bremsen bei 12% Gefälle, wenn Sie falsch bremsen?
Das größte Missverständnis bei Bergabfahrten ist der Gedanke, die Betriebsbremse sei primär für die Geschwindigkeitskontrolle zuständig. Das ist falsch und gefährlich. Ihre Hauptaufgabe ist die Verzögerung, nicht die Dauerbelastung. Wenn Sie am Gefälle permanent auf der Bremse stehen, um die Geschwindigkeit zu halten, zwingen Sie die Bremsanlage in einen physikalischen Teufelskreis. Die Reibung erzeugt extreme Hitze. Bei dauerhafter Belastung können Bremsscheiben Temperaturen von bis zu 800 Grad Celsius erreichen. Diese Hitze überträgt sich auf die Bremsflüssigkeit.
Bremsflüssigkeit ist hygroskopisch, das heißt, sie zieht Wasser an. Unter normalem Druck ist das kein Problem, aber bei diesen Temperaturen bilden sich im Wasseranteil der Flüssigkeit Dampfblasen. Dampf lässt sich im Gegensatz zu Flüssigkeit komprimieren. Das Resultat: Sie treten auf das Bremspedal, aber der Druck wird nicht mehr auf die Bremsbeläge übertragen. Das Pedal fühlt sich weich an und fällt im schlimmsten Fall bis zum Bodenblech durch. Dieses Phänomen ist als Brems-Fading bekannt und führt zum vollständigen Verlust der Bremswirkung der Betriebsbremse.
Die einzige korrekte Technik, um dies zu verhindern, ist der proaktive Einsatz der Motorbremse. Schalten Sie bereits vor dem Gefälle in einen kleinen Gang (oft der gleiche, den Sie für die Bergauffahrt benötigen würden). Das Ziel ist, die Motordrehzahl hoch zu halten, damit der Motor die Hauptbremsarbeit leistet. Die Betriebsbremse wird dann nur noch kurz und kräftig eingesetzt, um die Geschwindigkeit bei Bedarf zu korrigieren, und kann sich in den Phasen dazwischen abkühlen. Eine Studie zur Belastung von Bremsen bei Bergabfahrten zeigt deutlich, dass nur die Entlastung durch die Motorbremse das System im sicheren Temperaturbereich hält.
Wie entscheiden Sie zwischen landschaftlicher Schönheit und schneller Ankunft?
Die Wahl der Route ist eine der ersten und wichtigsten strategischen Entscheidungen. Es ist nicht nur eine Frage von Kilometern und Mautgebühren, sondern vor allem eine Entscheidung über das Stresslevel für Fahrer und Material. Die schnellste Route auf dem Papier, oft über Brenner- oder Gotthardautobahn, ist nicht immer die beste für einen Gespann-Neuling. Staus, Baustellen und hoher Verkehrsdruck können die Konzentration stark beanspruchen. Alternativrouten wie der Reschenpass bieten zwar atemberaubende Landschaften, erfordern aber auch mehr fahrerisches Können auf kurvigen Landstraßen und kosten Zeit.
Eine ehrliche Selbsteinschätzung ist hier entscheidend. Wie sicher fühlen Sie sich mit dem Gespann auf engen Straßen? Wie reagieren Sie auf ungeduldige Autofahrer hinter Ihnen? Die folgende Tabelle gibt Ihnen einen Überblick über die gängigsten Routen mit ihren spezifischen Charakteristika für Gespannfahrer, basierend auf einer Analyse der Alpenrouten für Wohnmobile.
| Route | Kosten | Zeitaufwand | Eignung für Gespanne | Besonderheiten |
|---|---|---|---|---|
| Brennerautobahn | 7,95€ PKW / 10,45€ Gespann | Standard | Sehr gut | Bauarbeiten bis 2030 |
| Gotthard-Tunnel | CH-Vignette 37,50€ | Standard | Gut | Häufige Staus |
| San Bernardino | CH-Vignette 37,50€ | +90 Min | Gut | Weniger Stau |
| Reschenpass | Keine Maut | +60 Min | Gut | Landschaftlich reizvoll |
| Tauernautobahn | AT-Vignette + Sondermaut | Standard | Sehr gut | Baustellen 2025 |
Eine oft unterschätzte, aber extrem empfehlenswerte Strategie ist die Zwei-Tages-Überquerung. Planen Sie eine Übernachtung auf einem Campingplatz kurz vor oder nach dem anspruchsvollsten Teil der Strecke. Dies nimmt den gesamten Zeitdruck aus der Fahrt, erlaubt Ihnen, die Pässe am frühen Morgen bei wenig Verkehr und kühleren Temperaturen zu befahren, und verwandelt die Überquerung von einer Belastung in ein Erlebnis.

Wie Sie im Bild sehen, kann ein Zwischenstopp die Anspannung nehmen und Ihnen erlauben, die Alpenlandschaft zu genießen, anstatt sie nur als Hindernis zu betrachten. Ein kluger Fahrer plant nicht nur die Route, sondern auch die eigenen Belastungsgrenzen und die des Fahrzeugs. Die zusätzliche Übernachtung ist oft die beste Investition in eine sichere und entspannte Ankunft.
Welcher Gang rettet Ihren Motor beim Anstieg zum Tauerntunnel?
Während beim Gefälle die Bremsen im Fokus stehen, ist es bei der Steigung der Motor, der an seine Grenzen kommt. Ihn vor Überhitzung zu schützen, ist ebenso wichtig. Die landläufige Meinung „je langsamer, desto besser“ ist auch hier nur die halbe Wahrheit. Entscheidend ist nicht die Geschwindigkeit, sondern die Drehzahl. Jeder Motor hat einen optimalen Drehzahlbereich, in dem er sein maximales Drehmoment entwickelt und gleichzeitig die Kühlung am effizientesten arbeitet. Fahren Sie mit zu niedriger Drehzahl (also in einem zu hohen Gang) den Berg hinauf, „quälen“ Sie den Motor. Er muss mehr Kraft aufwenden, was die Verbrennungstemperatur und damit die Motortemperatur in die Höhe treibt.
Bei modernen Turbodieselmotoren, die die meisten Zugfahrzeuge antreiben, liegt dieser Bereich oft erstaunlich niedrig. ACE-Experten geben hier als Richtwert einen optimalen Drehmomentbereich zwischen 1.800 und 2.800 U/min an. Beobachten Sie Ihren Drehzahlmesser, nicht nur den Tacho. Fällt die Drehzahl unter diesen Wert, schalten Sie konsequent zurück, auch wenn es sich laut anfühlt. Ein Motor, der bei 3.000 U/min arbeitet, wird durch den schneller drehenden Lüfter und die höhere Umwälzgeschwindigkeit von Öl und Kühlwasser besser gekühlt als ein Motor, der sich bei 1.500 U/min abmüht. Bei Automatikgetrieben empfiehlt es sich, in den manuellen Modus zu wechseln, um ein ungewolltes Hochschalten an weniger steilen Zwischenstücken zu verhindern.
Zusätzlich zur richtigen Gangwahl können Sie das Kühlsystem aktiv unterstützen. Schalten Sie die Klimaanlage aus, da ihr Kompressor dem Motor zusätzlich Leistung entzieht und die Kühlerfront blockiert. Sollte die Temperaturanzeige dennoch steigen, ist die letzte Maßnahme, die Heizung auf die höchste Stufe und das Gebläse voll aufzudrehen. Das leitet überschüssige Motorwärme in den Innenraum ab – unangenehm, aber wirksam.
Ihr Aktionsplan für das Kühlungs-Management bei Bergauffahrt
- Vor der Fahrt: Kontrollieren Sie den Motorölstand und den Kühlflüssigkeitsstand und füllen Sie bei Bedarf auf. Ein korrekter Füllstand ist die Basis für eine funktionierende Kühlung.
- Während der Fahrt: Behalten Sie die Motortemperaturanzeige im Auge. Bei steigender Tendenz schalten Sie umgehend die Klimaanlage aus, um den Motor zu entlasten.
- Gangwahl: Nutzen Sie bei Automatikgetrieben den manuellen Modus, um die Drehzahl im optimalen Bereich (ca. 2.000-3.000 U/min) zu halten und ein „Hüpfen“ zwischen den Gängen zu vermeiden.
- Stop-and-Go: Schonen Sie die Kupplung, indem Sie größere Lücken lassen und das Anfahren minimieren. Jeder Anfahrvorgang am Berg ist eine extreme Belastung.
- Notfallmaßnahme: Wenn die Temperatur weiter steigt, schalten Sie die Heizung und das Gebläse auf die höchste Stufe, um dem Motorkühlsystem zu helfen, Wärme abzuführen.
Der Fehler, im Mai mit Sommerreifen über einen Pass zu fahren
Viele Camper starten ihre Italienreise in den Pfingstferien im Mai oder Juni. Im Tal herrschen bereits sommerliche Temperaturen, doch in den Höhenlagen der Alpen kann das Wetter schnell umschlagen. Ein plötzlicher Kälteeinbruch mit Schneefall ist auf Passhöhen über 2.000 Metern keine Seltenheit. Mit Sommerreifen, deren Gummimischung bei Temperaturen unter 7°C verhärtet, wird das Gespann dann schnell unkontrollierbar. Die gesetzlichen Vorschriften zur Winter- bzw. Ganzjahresbereifung sind in den Alpenländern zudem unterschiedlich und streng.
Besonders wichtig für deutsche Fahrer ist eine kürzliche Änderung. Wie der ADAC hinweist, sind seit Oktober 2024 bei winterlichen Verhältnissen in Deutschland nur noch Reifen mit dem Alpine-Symbol (Bergpiktogramm mit Schneeflocke) als wintertauglich anerkannt. Das alte „M+S“-Zeichen allein genügt nicht mehr (mit Übergangsfristen für ältere Reifen). Diese Regelung ist entscheidend, da sie auch für die Beurteilung bei einem Unfall auf deutscher Seite der Grenze herangezogen wird. In Österreich und der Schweiz gelten teils andere Regeln, was die Planung zusätzlich erschwert.
Für eine sichere Fahrt im Frühjahr sind daher M+S-Reifen mit Alpine-Symbol (also Ganzjahres- oder Winterreifen) am Zugfahrzeug und idealerweise auch am Wohnwagen dringend zu empfehlen. Prüfen Sie nicht nur das Symbol, sondern auch die Profiltiefe. Gesetzlich sind zwar oft nur 1,6 mm gefordert, doch für die Sicherheit bei Nässe und Schneematsch sind mindestens 4 mm Profil ein absolutes Muss. Die folgende Tabelle fasst die wichtigsten Regelungen für Sie zusammen.
| Land | Zeitraum | Symbol-Anforderung | Mindestprofil | Strafe |
|---|---|---|---|---|
| Deutschland | Situativ | Alpine-Symbol Pflicht | 1,6mm (4mm empfohlen) | 60-120€ + 1 Punkt |
| Österreich | 1.11.-15.4. | M+S oder Alpine | 4mm Radial/5mm Diagonal | 60-5000€ |
| Schweiz | Situativ | Empfohlen Alpine | 1,6mm (4mm empfohlen) | Haftung bei Unfall |
Die Investition in eine gute Ganzjahresbereifung für das gesamte Gespann ist eine der sinnvollsten Sicherheitsmaßnahmen, die Sie treffen können. Sie schützt nicht nur vor plötzlichen Wetterumschwüngen, sondern auch vor empfindlichen Strafen und versicherungsrechtlichen Problemen im Falle eines Unfalls.
Wann und wo müssen Sie anhalten, um Fahrzeug und Fahrer abzukühlen?
Strategische Pausen sind keine Option, sondern ein fester Bestandteil des Sicherheitskonzepts bei der Alpenüberquerung. Es geht dabei nicht nur um die Erholung des Fahrers, sondern um eine gezielte, proaktive Kühlpause für die mechanischen Komponenten des Gespanns, insbesondere der Bremsen. Die Frage ist also nicht, ob man anhält, sondern wann und wo. Der ideale Zeitpunkt für eine Pause ist nach einem langen, steilen Gefälle, noch bevor die Bremsen in den kritischen Temperaturbereich kommen. Warten Sie nicht, bis Sie einen Bremsgeruch wahrnehmen oder das Pedal weich wird.
Suchen Sie gezielt nach Parkbuchten oder Rastplätzen, die groß genug für Ihr Gespann sind. Ein wertvoller Tipp für die Praxis: Am Brenner empfiehlt sich nach dem langen Gefälle der oft ruhigere Rastplatz Gries-West anstelle des meist überfüllten Parkplatzes an der Europabrücke. Am Gotthardpass gibt es auf der alten Passstraße regelmäßig Ausstellplätze, die ideal sind, um schnellere Fahrzeuge vorbeizulassen und gleichzeitig den Bremsen eine Abkühlphase zu gönnen. Diese kurzen Stopps von 5-10 Minuten können bereits einen enormen Unterschied machen.
Während der Pause führen Sie einen kurzen Systemcheck durch. Gehen Sie um Ihr Gespann und prüfen Sie die Bremsen per Sicht- und Geruchskontrolle. Ein beißender, metallischer Geruch ist ein klares Warnsignal für Überhitzung. Fühlen Sie zudem vorsichtig mit dem Handrücken die Temperatur der Felgen (nicht der Bremsscheibe!). Sind sie so heiß, dass Sie die Hand sofort wegziehen müssen, benötigen die Bremsen eine längere Abkühlzeit. Experten raten bei deutlichem Bremsgeruch zu einer Zwangspause von mindestens 30-45 Minuten. Wichtig: Ziehen Sie auf einem Gefälle die Handbremse des Zugfahrzeugs nur im Notfall an, da die heißen Bremsbeläge an der Scheibe „festbacken“ können. Nutzen Sie Unterlegkeile und legen Sie den ersten Gang (bei Bergabfahrt den Rückwärtsgang) ein. Lassen Sie den Motor noch einige Minuten laufen, damit der Lüfter das Kühlsystem weiter versorgt.
Wie stellen Sie sicher, dass die Brücke wirklich 3,20 m hoch ist?
Die Höhe Ihres Gespanns ist eine feste Größe, die Sie exakt kennen müssen. Verlassen Sie sich niemals auf die Angaben im Fahrzeugschein. Aufbauten wie eine Dachklimaanlage, eine Satellitenschüssel oder ein Solarpanel können die Gesamthöhe erheblich verändern. Der einzige Weg zu verlässlichen Daten ist: Messen Sie selbst! Fahren Sie dazu auf eine ebene Fläche, nehmen Sie eine Wasserwaage und ein langes Brett oder eine Latte, legen Sie diese über den höchsten Punkt Ihres Wohnwagens (inklusive aller Aufbauten) und messen Sie den Abstand zum Boden präzise. Notieren Sie dieses Maß auf einem Aufkleber und bringen Sie ihn gut sichtbar im Cockpit an.

Bei der Fahrt ist es entscheidend, zwischen offiziellen und inoffiziellen Höhenangaben zu unterscheiden. Offizielle Verkehrszeichen für Höhenbeschränkungen (in Deutschland das VZ 265, rund mit rotem Rand) beinhalten laut Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) immer einen gewissen Sicherheitsaufschlag. Darauf können Sie sich verlassen. Problematisch sind handgemalte Schilder, Warnungen an privaten Hofeinfahrten oder die Durchfahrtshöhen von Tankstellendächern. Hier ist kein Sicherheitsaufschlag garantiert. Im Zweifel gilt: Anhalten und aussteigen, bevor Sie einen teuren Schaden riskieren.
Ein weiterer kritischer Punkt ist die Navigation. Standard-Apps wie Google Maps oder Waze berücksichtigen keine Fahrzeughöhen und können Sie auf Routen mit zu niedrigen Unterführungen lotsen. Für Gespannfahrer ist die Investition in ein spezielles Camper-Navigationsgerät (z.B. von Garmin oder Sygic) unerlässlich. Hier können Sie die exakten Dimensionen Ihres Gespanns – Höhe, Breite, Länge und Gewicht – eingeben. Die Software berechnet dann automatisch eine sichere Route, die unpassierbare Engstellen, Brücken oder gewichtsbeschränkte Straßen meidet. Dies ist ein entscheidender Beitrag zur Stressreduktion und Schadensvermeidung.
Wie merken Sie, ob der Dämpfer der Auflaufeinrichtung verschlissen ist?
Die Auflaufbremse des Wohnwagens ist ein entscheidendes Sicherheitssystem bei Bergabfahrten. Sie sorgt dafür, dass der Wohnwagen eigenständig bremst, wenn das Zugfahrzeug verzögert, und verhindert, dass der Anhänger unkontrolliert aufschiebt. Das Herzstück dieses Systems ist der Auflaufdämpfer. Seine Aufgabe ist es, das Auflaufen des Anhängers sanft zu dämpfen und ein abruptes, ruckartiges Bremsen zu verhindern. Ein verschlissener Dämpfer kann seine Funktion nicht mehr erfüllen, was zu einem gefährlichen Fahrverhalten führt.
Sie können den Zustand des Dämpfers mit einem einfachen Test selbst überprüfen. Kuppeln Sie den Wohnwagen vom Fahrzeug ab und stellen Sie sicher, dass er gegen Wegrollen gesichert ist. Stellen Sie sich nun vor die Deichsel und schieben Sie die Zugeinrichtung mit Ihrer Körperkraft kräftig in Richtung des Wohnwagens. Ein intakter Dämpfer leistet dabei einen deutlichen, gleichmäßigen und starken Widerstand. Sie müssen spürbar Kraft aufwenden, um die Deichsel einzuschieben. Lässt sie sich hingegen sehr leicht, fast ohne Widerstand oder gar ruckartig einschieben, ist der Dämpfer mit hoher Wahrscheinlichkeit defekt und muss umgehend in einer Fachwerkstatt ausgetauscht werden.
Die Folgen eines defekten Dämpfers sind gravierend, besonders am Berg. Bei jedem Bremsvorgang des Zugfahrzeugs schlägt der Wohnwagen ungebremst und ruckartig in die Kupplung, was zu einem heftigen Stoß im Gespann führt. Dieses Phänomen ist als „Bonanza-Effekt“ bekannt und extrem unangenehm und gefährlich. Es führt nicht nur zu einer enormen Materialbelastung an Zugvorrichtung und Fahrwerk, sondern kann das gesamte Gespann ins Schlingern bringen und die Kontrolle über das Fahrzeug erschweren. Eine Fahrt über die Alpen mit einem defekten Auflaufdämpfer ist ein unkalkulierbares Risiko.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Einsatz der Motorbremse ist keine Option, sondern eine proaktive Technik zur Kühlung und Entlastung der Betriebsbremse.
- Die Routenwahl ist eine strategische Entscheidung über Stresslevel vs. Ankunftszeit; eine Zwei-Tages-Etappe ist oft die sicherste Lösung.
- Technische Checks vor der Abfahrt, insbesondere an Reifen, Auflaufdämpfer und die Klärung der GO-Box-Pflicht, sind nicht verhandelbar.
Welche 5 Dinge müssen Sie prüfen, bevor Sie 1000 km in den Süden fahren?
Eine erfolgreiche und sichere Alpenüberquerung beginnt nicht am Fuße des Berges, sondern Wochen vorher in Ihrer Einfahrt. Eine sorgfältige technische Vorbereitung ist die beste Versicherung gegen unliebsame Überraschungen. Neben den bereits besprochenen Punkten wie Reifen und Auflaufdämpfer gibt es eine finale Checkliste, die jeder Gespannfahrer vor einer langen Reise abarbeiten sollte. Diese fünf Punkte decken die häufigsten Pannen- und Problemursachen ab und sorgen für ein gutes Gefühl beim Start.
Erstens: die Stützlast. Kontrollieren Sie diese mit einer speziellen Stützlastwaage. Eine korrekt eingestellte Stützlast (meist zwischen 75 und 100 kg) ist entscheidend für die Fahrstabilität des Gespanns. Verteilen Sie schwere Gegenstände im Wohnwagen immer zentral über der Achse, nicht im Bug oder Heck. Zweitens: die Maut. Klären Sie die spezifischen Anforderungen für Ihr Gespann. Besonders wichtig für Österreich: Laut neuer ASFINAG-Regelung müssen Fahrzeuge bzw. Gespanne mit einer technisch zulässigen Gesamtmasse (tzGm) von über 3,5 Tonnen eine GO-Box zur elektronischen Mauterfassung verwenden. Dies betrifft viele gängige Gespanne. Bestellen Sie die Box rechtzeitig online, um Wartezeiten an den Vertriebsstellen zu vermeiden.
Drittens, prüfen Sie Ihren Versicherungsvertrag auf die Klausel „Verzicht der Einrede grober Fahrlässigkeit“. Diese ist Gold wert, falls es trotz aller Vorsicht zu einem Schaden kommt. Viertens, aktivieren Sie Ihren Auslands-Schutzbrief (z.B. über den ADAC) und speichern Sie die Notfallnummer direkt in Ihrem Telefon. Im Pannenfall ist schnelle Hilfe entscheidend. Und fünftens, sorgen Sie für die richtige Sicherheitsausrüstung: Warnwesten für alle Insassen griffbereit im Fahrzeuginnenraum (nicht im Kofferraum!) und das Wissen über das korrekte Verhalten bei einer Panne im Tunnel.
Nachdem Sie diese technischen und strategischen Vorbereitungen getroffen haben, können Sie Ihre Reise mit dem nötigen Wissen und Selbstvertrauen antreten. Planen Sie Ihre Route und Ihre Pausen sorgfältig, und Sie werden die Alpenüberquerung als beeindruckendes Erlebnis und nicht als Prüfung in Erinnerung behalten.
Häufig gestellte Fragen zur Alpenüberquerung mit Wohnwagen
Haben offizielle Verkehrszeichen immer einen Sicherheitsaufschlag?
Ja, offizielle Verkehrszeichen zur Höhenbeschränkung (wie das VZ 265 in Deutschland) beinhalten laut den gesetzlichen Vorschriften immer einen gewissen Sicherheitsaufschlag. Bei inoffiziellen, privaten Höhenangaben, beispielsweise an Hofeinfahrten oder alten Brücken, ist dies jedoch nicht garantiert und höchste Vorsicht geboten.
Welche Navigationsgeräte berücksichtigen Fahrzeughöhen?
Standard-Navigations-Apps wie Google Maps oder Apple Karten berücksichtigen keine Fahrzeugdimensionen. Für Gespannfahrer sind spezielle Camper-Navis von Herstellern wie Garmin (Camper-Serie) oder Sygic (Caravan Navigation) unerlässlich. In diesen Geräten können Sie die exakte Höhe, Breite und das Gewicht Ihres Gespanns eingeben, um gefährliche Routen zu vermeiden.
Wie messe ich die exakte Höhe meines Gespanns?
Verlassen Sie sich nie auf die Werksangaben. Messen Sie die Höhe an der höchsten Stelle Ihres beladenen Wohnwagens, inklusive aller Aufbauten wie Klimaanlage, Satellitenschüssel oder Solarpanel. Am besten geht dies auf ebenem Untergrund mit einer langen Wasserwaage und einem Maßband. Ein Aufkleber mit dem ermittelten Maß im Sichtfeld des Fahrers ist eine wertvolle Gedächtnisstütze.